Tabu Schießsport

Ich bin seit etwas mehr als einem Jahr Sportschütze und darf seit kurzem eine Pistole und ein Gewehr mein eigen Nennen. Aus diesem für mich jungen Hobby mache ich kein Geheimnis.

In meinem direkten Umfeld erlebe ich sehr unterschiedliche Reaktionen auf die Neuigkeit, ich besäße nun Waffen. Sie reichen von Desinteresse, über „ich kann nichts mit Waffen anfangen“ bis zu neugierigen Feedback.

Ein Freund begleitete mich bereits zwei Mal als Gastschütze.

Stigma

Weniger überrascht war ich über Kollegen, die in der Gruppe ihre Neugier offensichtlich versteckten und wenig später in privaten Gesprächen Interesse zeigten.

Waffen sind ein kontroverses Thema. Das ist nachvollziehbar. Waffen sind gefährlich und müssen sorgsam, fachkundig und verantwortungsbewusst behandelt werden.

Initiativen wie Roman Grafe’s „Sportmordwaffen“ polarisieren mit emotional geladenen Videos und Texten, unterstellen jede Waffe im Privathaushalt wird zwangsläufig für Straftaten eingesetzt. An dieser Stelle beginnt das gesellschaftliche Stigma zu wirken.

Das stark übertrieben wird, um einer Ideologie Nachdruck zu verleihen, ist nicht von der Hand zu weisen. Öffentlich zugängliche Statistiken widersprechen diesen Anschuldigungen.

Straftaten unter Verwendung scharfer Schusswaffen sind im Ländervergleich nicht nur selten, sie haben einen Abwärtstrend.

Laut Bundeslagebild zur Waffengewalt 2021 des Bundeskriminalamtes wurden unter anderem 3.881 Drohungen mit Schusswaffen festgestellt. Ein Minus von 11,2% zum Vorjahr. Diese Zahlt beinhaltet nicht nur tödliche Waffen, sondern auch Schreckschuss– und Anscheinswaffen (z. B. Softair-Waffen), welche immer häufiger für Raubüberfälle Verwendung finden.

Die Anzahl von Schussabgaben muss in ähnlicher weiße mit Vorsicht genossen werden. Hier werden im Lagebild 4.074 Fälle genannt, was ein Minus von 8,5% zum Vorjahr ergibt. Wie auch bei den Drohungen spielen Schreckschusswaffen eine Rolle, welche in dieser Zahl enthalten sind.

Ohne genauere Erläuterung gehe ich davon aus, dass Straftaten gegen das Leben den tödlichen Waffen zuzuordnen sind. 2021 wurden hiervon 114 Fälle erfasst, 2020 waren es 147. Das Bundeskriminalamt unterscheidet im auch hier, wie im gesamten Lagebild, nicht zwischen legal und illegal besessenen Waffen. Eine Zahl, die in meinen Augen, für die Gesetzgebung sehr Relevant sein sollte.

Fakt ist, 946.495 Besitzer legaler Waffen (2022) werden durch Verallgemeinerungen vorverurteilt und stigmatisiert.

Wohlgehütetes Privileg

Der Besitz einer Schusswaffe ist in Deutschland ein Privileg. Dieses Privileg zu bekommen bedarf vor allem Geduld und es zu erhalten ist indes viel schwieriger.

Für die Waffenerwerberlaubnis muss man nicht nur ein Bedürfnis und die Sachkunde nachweisen, man benötigt eine weise Weste. Straftaten, Beobachtung durch den Verfassungsschutz, Mitgliedschaften in gewissen Parteien. Alles Ausschlusskriterien. Die letzte Verschärfung des Waffengesetzes des Waffengesetzes hat zurecht ganze Arbeit geleistet.

Der größte Hebel des Waffengesetzes ist die Zuverlässigkeit. Stellt die Waffenbehörde die Zuverlässigkeit in Frage, kann sie ohne großen bürokratischen Aufwand die Waffenerlaubnis entziehen.

Die Zuverlässigkeit kann durch sehr viele Faktoren in Frage gestellt werden. Offensichtlich, wer Straffällig wird. Weniger Offensichtlich, wer mit Alkohol im Blut am Steuer erwischt wird.

Schießsport ist teuer. Mitgliedsbeiträge, Standgebühren, Gebühren für die Sicherheitsüberprüfung, Tresor und nicht zuletzt Waffen, Munition und Zubehör kosten ein kleines bis großes Vermögen. Kaum ein Schütze wird sein Privileg leichtfertig aufs Spiel setzen.

Stand jetzt ist meiner Meinung nach keine Verschärfung notwendig. Unseren Sicherheitsbehörden stehen große Hebel zur Verfügung. Viel wichtiger ist es, dass involvierte Behörden gut ausgestattet sind und ihrer Arbeit sorgfältig nachgehen können.

Mehr Aufklärung wagen

Kritik muss ich an unseren Sportverbänden üben, die es immer noch verpassen, die Gesellschaft ins Boot zu holen und zu zeigen, warum von Sportschützen für die Allgemeinheit keine größere Gefahr als von anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ausgeht.

Eine breite Akzeptanz des Schützentums ist in meinen Augen wichtig. Nur in einer integrativen Gesellschaft braucht sich niemand Verstecken. Wer offen redet, findet auch Missstände und gemeinsam können wir diese Beheben.